Facebooks IPO – eine Einschätzung
2,7 Milliarden Dollar ist Deutschland wert – zumindest, wenn man den Anteil der deutschen Facebooknutzer in Relation zum geschätzten Unternehmenswert von 104 Milliarden Dollar setzt.
Diese 104 Milliarden sollen heute beim Börsengang von Facebook bestätigt werden. Die Anleger sind gespannt – zwischen 15.30 und 17.00 Uhr könnten die ersten Kurse festgestellt werden. Ist ein Investment in Facebook Aktien für die wenigen Auserwählten, die Anteile bekommen wirklich lohnenswert? Und was kommt nach dem Börsengang des weltgrößten Social Networks? Spiegel Online beispielsweise sieht eine neue Strategie für Facebook als dringend nötig an, denn die neuen Investoren wollen auch weiterhin gesicherte Profite sehen.
Basierend auf dem aktuellen Business Modell sowie dem damit zusammen hängenden Umsatz- und Gewinnwachstum – und nicht zuletzt der gerade erwähnten wahrscheinlichen Bewertung von über 100 Milliarden US Dollar (einem deutlichen Vielfachen des Profits im Jahre 2011) – könnte es also schwer nachvollziehbar sein, warum eine Investition in Facebook ihr Geld wert ist. Schon jetzt ist abzusehen, dass der Aktienkurs von Facebook in naher Zukunft einem ähnlich erratischen Muster folgen wird, wie dies schon bei weiteren jüngst stattgefundenen IPOS (bspw. Linkedin, Groupon und Zynga) zu beobachten war.
Schaut man sich jedoch die mittel- bis langfristige Perspektive an, ist Facebook absehbarerweise eine sehr gute Investition:
Facebooks globale Dominanz übertrifft die jedes anderen sozialen Netzwerkes in so gut wie allen relevanten Märkten auf der Welt. Das Wachstum der Plattform schreitet – vorangetrieben durch Mark Zuckerbergs Vision und Leadership – weiter voran. Die geschätzt 16 Millarden Dollar, welche heute Zuckerbergs Kriegskasse füllen werden, lassen uns eine erneute Steigerung der Geschwindigkeit in Produktentwicklung wie Zukäufen erwarten. Und: Facebook besitzt den größten Teil der Internet-Nutzer, wird sie mit großer Wahrscheinlichkeit auch zukünftig behalten und hat gerade erst angefangen, mit Ihnen Geld zu verdienen.
Es stimmt zwar, ca. 85% der aktuellen Einnahmen von Facebook stammen aus der Werbung – und die Neuigkeiten dieser Woche, dass GM seine Ad-Investments stoppt, wird potenziellen Investoren kalte Füße verursachen. Unabhängig davon lassen sich bei Facebook jedoch potenzielle Einnahmequellen im Überfluss finden. Targeted Advertising beispielsweise steht hoch auf der Agenda von Facebook – unterstützt durch Änderungen in der Privacy Policy, welche es dem Unternehmen erlauben, zukünftig Ads auch abseits von Facebook zu targeten und damit ein Display Advertising Network aufzubauen, welches die Inventories anderer Medieninhaber nutzt und Ads an User ausliefert, die ebenso auf ihrem “Social Graph” wie ihrem “Interest Graph” basieren. Das frisch angekündigte App Center, mobiles Advertising und die riesige potenzielle Einnahmequelle der virtuellen Währung “Facebook credits” – da versteht man schnell warum diejenigen, die ein echtes Verständnis des Social Webs haben, aufgeregt sind.
Aber schauen wir uns die Fakten noch einmal im Detail an:
Facebook weist eine fast vollständige globale Dominanz des Social Networking Marktes auf. 900 Millionen monatlich aktive Nutzer, 526 Millionen täglich aktive Nutzer – das sind Werte die immer noch rapide wachsen, auch wenn das Wachstum in einigen reifen Märkten wie den USA und Großbritannien ins Stocken geraten ist. Deutlich wichtiger: Die durchschnittliche Zeit, welche Nutzer auf der Plattform verbringen ist astronomisch hoch: US-Amerikaner verbringen durchschnittlich mehr als 7 Stunden im Monat auf Facebook, unabhängig davon, ob sie via PC oder Smartphone auf die Plattform zugreifen – und auch diese Zahlen wachsen stark. Der Zugriff via Smartphone ist mittlerweile für eine Mehrheit der Nutzer zur absoluten Normalität geworden. Außerdem dominiert Facebook alle relevanten Märkte mit Ausnahme von China, Japan, Südkorea und Russland. Basierend auf dem aktuellen Wachstum wird es nur noch eine kurze Zeit dauern, bis auch diese Liste nur noch aus China besteht.
Mark Zuckerberg zeigt unglaubliche und (zumindest in diesem Markt) unvergleichliche Vision und Führung. MySpace hat seinen Lead aufgrund von Rupert Murdochs mangelndem Verständnis des Social Web und daraus resultierendem Missmanagement verloren. Mark Zuckerberg hingegen ist ein “Digital Native” – er versteht’s. Zuckerberg’s Führung der Produktentwicklung in den letzten 8 Jahren hat seine Fähigkeit gezeigt, Facebooks Angebote fortlaufend weiterentwickeln und wachsen zu lassen – und trotz einiger Fehltritte die Plattform mit jedem neuen Release für neue wie existierende User immer attraktiver zu machen.
Aber nicht nur das: Durch die Akquisition von Unternehmen wie Instagram, Glancee, Gowalla, Beluga, Snaptu, Friend.ly und Friendfeed, hat Zuckerberg gezeigt, dass er konstant am Ball bleibt und mit Erfolg externe Ideen und Technologien in das Unternehmen bringt, welche Facebook stets einen Schritt voraus sein lassen – und potenzielle zukünftige Wettbewerber aus dem Markt entfernen. Da Facebooks zwei Aktiengattungen garantieren, dass Zuckerberg weiterhin das Steuer in der Hand behält (dann aber mit einer prall gefüllten Kriegskasse), können wir nur davon ausgehen, dass die Produktentwicklung ebenso wie die Akquisitionen an Tempo zunehmen.
Facebook weist momentan ca. 1 Milliarde Dollar Einnahmen pro Quartal auf, 85% davon stammen aus der Werbung. Tatsächlich nimmt das Wachstum dieser Einnahmen jedoch ab und in dieser Woche verkündete GM – der drittgrößte Werbetreibende der USA – dass das Unternehmen ab sofort kein Geld mehr in Werbung auf Facebook investieren wird (auch wenn man nicht verschweigen sollte, dass Sie in Ihre Communities auf Facebook weiter investieren). Ford hat sich in Reaktion darauf öffentlich gegenteilig geäußert: Das Unternehmen wird weiterhin in Werbung auf Facebook investieren.
Was zu erwarten ist: Wie jeden anderen Aspekt Ihres Produktes, wird Facebook auch das Angebot an Werbeformaten konstant weiterentwickeln. Damit werden sich auch die Einnahmen aus diesem Bereich positiv weiterentwickeln – wenn sie in Richtung vollständiger Marktdurchdringung auch langsamer wachsen werden als bisher. Wo finden sich jedoch weitere potenzielle Einnahmequellen, abseits von den bisherigen Werbeformaten?
- Mobile Advertising: Bisher hält sich Facebook mit der Werbung auf mobilen Endgeräten – trotz 488 Millionen mobiler Nutzer – stark zurück. Dieses wurde im Vorfeld des IPO vielfach als eine Bedrohung für die Bewertung Facebooks angesehen – wir sehen es als massive, bisher ungenutzte Möglichkeit, welche sich bisher nicht in den Geschäftszahlen Facebooks ausdrückt. Wir können davon ausgehen, dass Facebook diesen Bereich zukünftig massiv und effektiv angehen wird.
- Ad network: In den letzten Wochen gab es auch von Seiten Facebook einige Hinweise auf zukünftige Einnahmequellen. Einer dieser Hinweise ist ein Wechsel in der Privacy Policy, welcher es Facebook erlaubt auch abseits von Facebook Anzeigen zu targeten, in welchen sie all Ihr Wissen über Ihre User nutzen können. Dies bedeutet konkret: Das Potenzial ein Display Advertising Network zu bauen, welches die Inventories anderer Medieninhaber nutzt und Ads an User ausliefert, die ebenso auf ihrem “Social Graph” wie ihrem “Interest Graph” basieren – eine weitere massive Möglichkeit der Generierung weiterer Einnahmen.
- Paid-for newsfeed priority: Facebook testete vor kurzem in Neuseeland die Möglichkeit, Nutzern gegen ein Entgelt von bis zu 2 Dollar die Möglichkeit zu geben, das alle Ihre Freunde garantiert ein bestimmtes Status-Update zu sehen bekommen würden.
- App store: In der letzten Woche verkündete Facebook einen neuen App-Store – zusammen mit einem “Beta paid-for App programm”. Auch wenn Facebook bisher noch keine Details dazu bekannt gegeben hat, wie sie damit Geld verdienen wollen: Wenn dies auch nur teilweise so erfolgreich wird wie die App Stores von Apple oder Amazon, findet sich genau hier die Chance auf weitere Milliarden …
- Facebook credits: Vermutlich mehr Potenzial als alle bisher genannten Einnahmequellen, weisen die Facebook Credits auf. Hierbei handelt es sich um eine virtuelle Währung, welche bisher hauptsächlich für Transaktionen im Bereich des Social Gaming genutzt wird (aktuell ca. 15% der Einnahmen von Facebook). Wir haben aber schon jetzt die erfolgreiche Nutzung der credits durch Filmstudios gesehen (Verleih von Filmen via Stream an Facebook Nutzer) und wenn man sich nun noch einmal die Anzahl der Facebook Nutzer und die Zeit welche Sie auf der Plattform verbringen ins Gedächtnis ruft, wird klar das diese Möglichkeit alle anderen in den Schatten stellt.
- Open graph: Der Launch der sogenannten Open Graph Apps bedeutet, das Aktionen der Freunde wie “watch”, “listen” und “read” angefangen haben im Newsfeed von Usern aufzutauchen und das Wachstum mancher Apps stark zu unterstützen. Diese Apps könnten traditionellen Medien wie der Washington Post oder dem Guardian gehören (welche erst vor kurzem angegeben haben, das Facebook 30% Ihres Traffics verursacht) – oder eben auch neuen Playern wie Spotify und Socialcam.
- Micro-payments: Denken Sie an das Potenzial des Musikkaufes von Spotify, des Leihen von Filmen auf Netflix, oder der Nutzung von micro-payments für Inhalte der Washington Post oder des Guardian – oder die mannigfaltigen Möglichkeiten im Bereich des E-Commerce. Credits könnten letztlich für den Kauf und Verkauf von so gut wie Allem genutzt werden – insbesondere wenn Facebook denjenigen, welche ein Produkt verkaufen oder einen Service anbieten, bis zu 30% des Umsatzes für den Traffic berechnet.
Für jeden, der sich das Wachstum und die Innovationskraft ansieht, die Facebook in den letzten Jahren an den Tag gelegt hat, dürfte klar sein, dass Facebook auch nach dem Börsengang in ähnlichem Tempo weitermacht. Mark Zuckerberg hat längst verstanden, dass man es sich auf dem Thron der Social Networks nicht zu gemütlich machen darf – sonst geht es einem wie dem früheren Regenten MySpace.