Social 24/7 – Die Quadratur des Kreises?
Brian Mandelbaum, Ad Executive mit Historie in den großen Agenturen dieser Welt, hat sich einiges vorgenommen: Zum Ende des 3. Quartals dieses Jahres möchte er alles für den Start eines Agenturmodells vorbereitet haben, welches 24/7 für die Kunden des Kunden da ist. Wichtig: Wir reden nicht von 8 über den Erdball verteilten Standorten, sondern von einer einzigen Agentur, welche im Schichtbetrieb 24/7 Unternehmen und Marken im Social Web vertreten soll. Die Agentur hat noch nicht einmal einen Namen, ist bereits aber in aller Munde: Die Debatte ist angefacht. Gute PR oder ein ernsthaftes Unterfangen?
Mandelbaums Schlussfolgerung scheint logisch: Auch wir erhalten deutlich vermehrt Pitchbriefings und Anfragen, welche die magischen “24/7” beinhalten. Warum also nicht dem Markt folgen und eine Agentur aufmachen, die 24/7 nicht nur verspricht, sondern als Kern ihrer DNA ansieht? Natürlich gibt es die globalen Netzwerke, welche – zugegebenermaßen mit Organisationsaufwand – diese Anforderungen ebenfalls erfüllen können. Mandelbaum dazu:
most of those firms don’t have expertise in social media, community management or content creation and they don’t necessarily work on the same clients all around the globe
Abgesehen von der Tatsache, dass der gute Mann sich dringend mal mit uns unterhalten sollte, gibt es aus meiner Sicht wenige gute Gründe für und viele gute Gründe gegen ein solches Modell.
Dafür spricht sicherlich:
- In einigen Branchen und Industrien ist das Customer Engagement (die Auseinandersetzung und Interaktion der Kunden mit der Marke) weder auf den Wochentag, noch auf die “üblichen” Geschäftszeiten fokussiert, sondern findet mit Vorliebe früh morgens, spät abends und am Wochenende statt.
- Die Betreuung durch nur eine Agentur (im Gegensatz zu einem sich gegenseitig ablösenden Netzwerk von Agenturen) verhindert Reibungsverluste, sorgt für einen optimalen Einsatz des Budgets und erlaubt damit Effizienz wie Effektivität.
Soviel zur Theorie. In der Praxis ist das Mandelbaumsche Modell wenig durchdacht. Gegen dieses spricht:
- Ein 24/7 Service durch qualifiziertes Personal verursacht enorme Kosten für die Kunden: Die Agentur fokussiert sich damit bereits mit Ihrer Gründung auf ein sehr überschaubares Kundenklientel.
- In großen Unternehmen gibt es bereits eine 24/7 Infrastruktur: Den Kundenservice. Wenig erstaunlich: Setzt sich ein (potenzieller) Kunde morgens um 3 Uhr ernsthaft mit einer Marke auseinander, geht es in der Regel um eben dieses: Einen Fall für den Kundenservice. Edukation statt Substitution ist hier die richtige Herangehensweise.
- 18 Stunden am Tag (auch wenn das nicht erfreulich ist) decken auch unzählige andere Agenturen ab …
- Mandelbaum dürfte extreme Schwierigkeiten bekommen, seinen Laden zu staffen: Selbst zu regulären Arbeitskonditionen sind gerade kaum erfahrene Kollegen auf dem Markt zu finden.
- Wenn 24/7 ernsthaft gebraucht wird, handelt es sich in der Regel um globale Auftritte. Es gibt genügend Länder auf der Welt, in denen (man mag es kaum glauben …) flüssiges Englisch nicht zum sprachlichen Repertoire der Gesamtbevölkerung gehört. Mandelbaum sucht also nicht nur erfahrenes Personal, dieses sollte auch noch Englisch, Spanisch, Deutsch, Französisch, Italienisch, Portugiesisch etc. sprechen …
- Auch wenn Software nicht perfekt ist: Monitoring-Software wird jedes Jahr besser und wenn es sein muss, reisst mich diese eben aus dem Bett.
Die Liste ließe sich noch endlos weiterführen – ein schlagendes Argument möchte ich aber noch prominent herausheben: Ein 24/7 Engagement einer Agentur führt tendenziell auch zu dem Bedürfnis eines 24/7 Ansprechpartners auf der Unternehmensseite. Sollte dieser eh nur im Kundenservice sitzen: Siehe oben. Ansonsten: Viel Glück bei der Kundensuche!
Wie ist eure Meinung zu der Causa Mandelbaum?