Pinterest – Was bisher geschah, was noch kommt
Pinterest zählt aktuell definitiv zu den spannendsten Plattformen unter den auch in Deutschland bekannteren und genutzten Social Networks. Wir werfen einen Blick auf die bisherige Entwicklung der Plattform in Deutschland, überprüfen aktuelle Entwicklungen und wagen einen Ausblick, wie es in Zukunft mit der Plattform weitergehen wird.
Was bisher geschah – rasantes Wachstum
Vor gut einem Jahr in Deutschland noch nahezu unbekannt (Mai 2011: 2000 Besucher), nutzten im Februar 2012 268.000 deutsche Besucher Pinterest – ein Wachstum um 288 % (!) im Vergleich zum Vormonat. Auch wenn diese sehr dynamische Entwicklung beeindruckt – die tatsächlichen Nutzerzahlen sind damit immer noch – und insbesondere im Vergleich zu den USA – relativ gering: Dort ist die Besucherzahl im Februar um 6 Millionen auf 17,8 Millionen geklettert. Zu beachten ist allerdings: Da man Pinterest weiterhin nur nach Einladung nutzen kann (diese kann allerdings jeder anfordern) wird das Wachstum aktuell noch künstlich begrenzt und die Begehrlichkeit weiter gesteigert. Hier ist also weiterhin mit starkem Wachstum zu rechnen.
Nutzergruppe und Firmenengagement
Als Hauptnutzergruppe hat sich auf Pinterest weltweit eine Altersschicht etabliert, die durchaus für Werber interessant sein könnte: Soweit hier genauere Daten bekannt sind, ist die Mehrheit der Pinterest Nutzer weiblich und zwischen 25 und 44 Jahre alt (abhängig von den vorhandenen Studien sind dies zwischen 60% und 80% der User). Das sich ein Engagement, beispielsweise auch in Form einer kurzen Kampagne, für Marken, die diese Zielgruppe ansprechen durchaus schon lohnen kann, zeigt sich an aktuellen Zahlen:
- Jeder fünfte Nutzer hat schon ein gepinntes Produkt gekauft
- Erst kürzlich sorgte Pinterest für Schlagzeilen, als es mehr Link-Traffic als Twitter für den Monat Februar vorweisen konnte
- Zuvor schon war bekannt geworden, dass der Foto-Sharing-Dienst mehr Traffic als Google+, LinkedIn und YouTube zusammen erzeugt
Eine Nutzung als Traffic Bringer für E-Commerce Portale wäre also bereits heute gut denkbar – am besten bei weiblicher Zielgruppe. Schöne Beispiele für Engagements von Marken mit primär weiblicher Zielgruppe kommen nach wie vor meist aus dem amerikanischen Sprachraum: Martha Stewart, Schuhhändler Bergdorf Goodman oder das Better Homes and Gardens Magazine.
Aber auch deutsche Firmen haben mittlerweile die Potentiale erkannt, die Pinterest bietet – vor allem Reiseanbieter und Hotels, aber auch Spielzeughändler und der WWF haben mittlerweile ein Zuhause auf Pinterest gefunden. Der bekannteste Firmenauftritt einer deutschen Marke ist aber sicherlich der von Opel: Der deutsche Autobauer bietet neben Bildern von aktuellen Modellen auch eine Galerie mit den Repins von Opelbildern der Fans, Behind the Scenes und Geschichtliches.
Sehr allgemein gesagt: Für Marken, die ihre Produkte nicht direkt online verkaufen, ist ein Engagement auf Pinterest im Moment eigentlich nur dann sinnvoll, wenn man damit gezielt auf den aktuellen Hype der Plattform setzt und hofft auf der Welle der aktuellen Berichterstattung über Pinterest mitschwimmen zu können. Eine solche Entscheidung muss aber zur Marke passen – und hat mit Strategie und Nachhaltigkeit sehr wenig zu tun.
Ob ein langfristiges Engagement auf Pinterest für Unternehmen überhaupt Sinn macht, sollte genau überlegt werden. Dabei können die folgenden Fragestellung helfen:
- Zählt die Zielgruppe des Unternehmens bereits zu den Nutzern von Pinterest bzw. generell zu den sogenannten Early Adopters, welche früh und intensiv neue Plattformen dieser Art nutzen?
- Wie hoch ist das von einem Unternehmen geforderte Investment? Erlaubt Pinterest ein kosteneffizientes Engagement zur Erreichung der business objectives?
- Wie sieht es mit der weltweiten Reichweite der Plattform aus?
- Wie etabliert / wirtschaftlich solide ist Pinterest als Plattform? Von welcher Entwicklung ist mittel- bis langfristig auszugehen?
- Kann die Plattform eine Balance bieten hinsichtlich der Dynamik der Plattform (bezogen nicht auf die Userzahl sondern auf die Weiterentwicklung neuer Funktionalitäten) aber auch Strukturen, welche es großen Marken erlauben problemlos mit diesen oft noch sehr kleinen Unternehmen zusammenzuarbeiten?
- Inwiefern lässt sich das Engagement auf Pinterest in das bestehende Social Media Engagement des Unternehmens integrieren?
Die Rechtethematik
Klar ist: Pinterest läuft – nicht nur in Deutschland – in ein Rechteproblem. Zunächst erscheint die Lage klar: Wer eigenes Fotomaterial hochlädt, überträgt die weitere Nutzung an Pinterest:
“Subject to any applicable account settings you select, you grant us a non-exclusive, royalty-free, transferable, sublicensable, worldwide license to use, display, reproduce, re-pin, modify (e.g., re-format), re-arrange, and distribute your User Content on Pinterest for the purposes of operating and providing the Service(s) to you and to our other Users. Nothing in these Terms shall restrict Pinterest’s rights under separate licenses to User Content. Please remember that the Pinterest Service is a public platform, and that other Users may search for, see, use, and/or re-pin any User Content that you make publicly available through the Service.”
Das Problem besteht für alle User, für Unternehmen ist die Lage dabei mindestens genauso undurchsichtig, wie für private Anwender: Unternehmen haben Bildrechte lange nicht für jedes von Ihnen genutzte Bildmaterial und können Sie daher auch nicht weitergeben (Rechte an Bildern mit Models sind oft zeitlich begrenzt, etc.). Theoretisch könnte ein Unternehmen diese Bilder trotzdem über den eigenen Pinterest Account nutzen und dann eben rechtzeitig wieder offline nehmen. Das Problem: Pinterest (wie allerdings jedes andere Social Network auch) lebt ja gerade vom Teilen der Inhalte – in dem Fall dem sogenannten Re-pin.
Letztlich hat Pinterest “nur” ein Problem deutlich sichtbarer gemacht, welches solange nicht gelöst werden kann, wie die aktuelle Rechtsprechung zum Urheberrecht sich den neuen Entwicklungen nicht in gewisser Art und Weise anpasst. Auch wenn es hier nicht um klassisches Filesharing geht: Letztlich ist die Situation ähnlich und die Aufgeregtheit eines Sven Regeners spricht Bände …
Pinterest versucht sich aktuell mit einer Zusatzfunktion etwas aus der Schusslinie zu bringen: Indem Websitebetreiber einen Codeschnipsel in ihre Seiten einbauen, können sie das Speichern von Fotos und Bildern bei Pinterest unterbinden. Das ist aufgrund der Fokussierung auf diese Plattform im Rahmen der aktuellen Diskussion verständlich. Inwieweit Unternehmen dies im großen Stil nutzen werden, ist schwer vorherzusagen – Pinterest hat sich wie oben beschrieben bereits als verlässlicher Trafficlieferant erwiesen.
Websites müssen sich daher genau überlegen, was ihnen mehr wert ist: Die durch Backlinks bei Pinterest generierten zusätzlichen Besucher oder der Schutz der Urheberrechte von veröffentlichtem Bildmaterial. Eine Möglichkeit das Problem zu umgehen besteht in der Nutzung von Creative Commons Lizenzen.
Raus aus der Nische? – Weitere Entwicklungswege für Pinterest
Pinterest ist aktuell noch in doppelter Hinsicht ein Nischenprodukt: Klare und stark eingeschränkte Funktionalitäten für eine immer noch relativ kleine und nischige Zielgruppe. Letztlich wird Pinterest – wenn es als unabhängige Plattform bestehen will – auch nur in der Nische die Chance auf eine dauerhafte Existenz und ein vergleichsweise starkes Wachstum.
Gleichzeitig beschränkt die Nische allerdings auch die Möglichkeiten von Pinterest: Sollten Sie diese zu stark verlassen und sich in ihren Möglichkeiten immer stärker anderen Social Networks annähern, werden sie allein aufgrund der geringen Masse von Nutzern sofort verlieren. Pinterest ist deutlich mehr als ein Hype. Definitiv allerdings kein Facebook Killer. Und dann gibt es ja auch immer noch die Möglichkeit, sich kaufen zu lassen …