Wieviel “Person” braucht eine Marke?
Wieviel “Person” verkraftet eine Marke?
Seit Jahren wird im Umfeld der digitalen Kommunikationsberatung immer wieder Eines gepredigt: Eine Marke muss – wenn Sie in den Online-Dialog mit den Nutzern eintritt – die Gesichter hinter der Marke sichtbar machen, Personen zeigen, anfassbar sein. Das Egebnis: Der oben gezeigte Facebook-Post einer deutschen Discount-Kette – gesendet an mehr als 1.000.000 Markenfans. An diesem – aus meiner Sicht fehlgeschlagenen – Kommunikationsversuch einer Marke im Social Web lassen Sich einige klassische Missverständnisse und Probleme aufzeigen.
- “Persönlichkeit” und “Person” sind nicht identisch: Eine Marke muss im Social Web Persönlichkeit zeigen. Genauer gesagt: Markenpersönlichkeit, im theoretischen Konstrukt auch “Markenidentität” oder “brand identity” genannt. Hierbei geht es nun gerade nicht darum, dass Lieschen Müller Persönlichkeit zeigt und die Page der Marke mit Ihrem persönlichen Facebook Profil verwechselt. Es geht stattdessen darum, im immer wieder Kompromisse fordernden Interaktionsfeld von Facebook, User und Marke täglich diejenigen Merkmale der Marke zum Ausdruck zu bringen, für welche diese steht. Dies erfolgreich zu bewältigen ist in Zeiten des digitalen Dialogs ungleich schwieriger geworden: Dafür bedarf es nicht nur eines soliden Verständnisses der diversen Kommunikationsmechaniken unterschiedlicher Social Web Plattformen, sondern auch – und hier setzt das Missverständnis vieler Unternehmen ein – eines soliden strategischen Markenverständnisses sowie aus unserer Sicht eines PR- / Marketingbackgrounds der verantwortlichen Mitarbeiter.
- Gesichter zu zeigen ist nicht immer sinnvoll: Es kann – auch abseits des Social Webs – für große, globale Marken, gute Gründe dafür geben, Gesichter zu zeigen. Der offensichtlichste Fall: Der Beschwerdefall. Wer aufgrund von Problemen mit einem Produkt in direkten Kontakt mit der Marke / dem Unternehmen tritt, ist in der Regel dankbar für eine deutliche Zuordnung zu einem Menschen / Mitarbeiter, welcher sich persönlich um sein Anliegen kümmert. Das Gute an diesem Konzept: Hier kann die Marke nur gewinnen. Löst der Mitarbeiter das Problem des Kunden, fällt dies positiv auf das Unternehmen zurück. Ist es dem Mitarbeiter nicht möglich, das Problem zu lösen, neigt der Kunde dazu, dieses eher dem Mitarbeiter als der Marke an sich zuzuschreiben (dieser Effekt nimmt zu, je stärker die persönliche Beziehung des Kunden zum Mitarbeiter ist d.h. je mehr Gesicht dieser zeigt). “telekom hilft” ist hier ein vielzitiertes Beispiel. An der regulären “Schnittstelle” Marke-Kunde (User) sollte jedoch auch die Marke – und nicht der Mitarbeiter dahinter – Präsenz zeigen. Bedeutet: Im Besten Fall ist auch bei verpixeltem Logo und Markennamen mithilfe eines “educated guess” die dahinterstehende Marke zu erraten. Versuchen Sie dies einmal bei obigem Beispiel.
Gehen wir nun einmal davon aus, dass der Mitarbeiterin der oben genannten Discount-Kette diese Tatsachen durchaus bewusst sind, so stellt sich immer noch und erst recht die Frage, wie es zu einem solchem Post kommt. Der einzige aus unserer Sicht mögliche Grund: Mit möglichst generischen, allgemein gehaltenen und einfachen Fragen, die Engagement-Rate der Page hochzudrücken bzw. zu halten. Diese rein quantitative KPI betrachtet die Anzahl von Interaktionen der Fans mit der Markenpage: Wie oft hat ein Fan einen Beitrag der Marke geliked, kommentiert, geshared etc.? Da die Engagement Rate sich mittlerweile als qualitative KPI durchgesetzt hat (“Unsere Fans setzen sich täglich mit markenrelevanten Inhalten auseinander”), ist Sie bei großen Marken mittlerweile zu einem Gradmesser der Zielerreichung geworden. Voraussetzung dafür, dass die Engagement Rate eine Aussagekraft hat, ist jedoch, das eben auch markenrelevante Inhalte gespielt werden …
Zusammengefasst: Eine Marke ist keine Person, sondern hat eine Persönlichkeit. Sie will nicht der Freund der User sein, sondern Fans gewinnen.* Und wer im Social Web kein Budget verbrennen, sondern auch Ziele erreichen will, der sollte dies tunlichst beachten.
*Dies ist im Kontrast zum “Freund” zu verstehen – und keinesfalls als singuläres Ziel einer Marke auf facebook anzusehen.