2019 – Die Identitätskrise der sozialen Medien

Report
christine.himmelberg
THINK FORWARD

Neues Jahr – neues Glück. Das gilt auch für die sozialen Medien. 2018 wurden die Plattformen, die synonym für Globalisierung stehen, von Skandalen heimgesucht. Die Frage nach Selbstbestimmung der Daten rückte in den Mittelpunkt; Facebook, Twitter und Instagram wurden mit Fake News oder #MeToo zu Orten politischer und gesellschaftlicher Auseinandersetzung. Trotz der Skandale sind sie immer noch die direkten Sprachrohre zum Kunden und ermöglichen, durch zugeschnittenes Marketing die Verbraucher direkt zu erreichen. Wie man sich als Marke mit viel Transparenz, Feingefühl und Trendbewusstsein in der digitalen Zukunft positioniert, zeigt der We Are Social THINK FORWARD REPORT 2019.

Die Herangehensweise

Wenn wir etwas über die Identitätskrise der digitalen Welt gelernt haben, dann ist es, ihr mit Innovation zu begegnen. Dafür müssen wir die Trends in ihrem Kern verstehen, denn hinter jeder Online-Bewegung steht eine Community. Social Media ist powered by people. Wenn wir die menschlichen Bedürfnisse, Sorgen und Nöte als ihren Ursprung begreifen, können daraus neue Ideen und Herangehensweisen entwickelt werden.

Diese Trends kommen 2019 auf uns zu:

Sozialer Status (Social Standing)

Das Jahr 2018 hat gezeigt: Es lohnt sich, als Marke auch in politischen und gesellschaftlichen Diskursen Farbe zu bekennen. Nikes Colin Kaepernick Kampagne erhöhte den Bestandswert der Marke um 6,25 %. Daher heißt es für das neue Jahr: Traut euch, eure firmeninternen Werte auch nach außen zu tragen! Kommuniziert glaubwürdig, ohne dabei langfristige Folgen aus den Augen zu verlieren.

Falsche Authentizität (Fake Authenticity)

Fake News war einer der großen Skandale des Jahres 2018. Bewusst, falsche Informationen zu verbreiten, kann jedoch Marketing tauglich genutzt werden: Die fiktionale Influencerin Lil Miquela (19/LA/Robot) hat auf Instagram 1,5 Millionen Follower und wird bereits von Brands eingesetzt. Das zeigt: Transparenz ist wichtig. Steht dazu, „falsch“ zu sein – wenn fake, dann richtig. Seid offen für Experimente mit dem „Faken“, um dem Zeitgeist zu entsprechen. Das kann spannend sein, solange ihr wisst, welcher kreative Kopf hinter der Idee steckt.

Lokale Legitimität (Local Legitimacy)

Während alles auf global ausgerichtet ist, lohnt sich ein Blick in die lokale Demografie. In den Subkulturen entstehen neue Trends. Sie sind die Gegenbewegung zum Nationalismus und feiern Diversität. Nach einer Foresight Factory Studie definieren sich 64 % der Menschen über ihre Umgebung. Scheut euch nicht davor, auch als globale Firma lokales Marketing zu betreiben, wie es adidas mit ihren Runner-Communities tut. Doch auch hier heißt es: Insights sind wichtig, um keine Subkultur zu vergessen.

Kollektive künstliche Intelligenz (Collective AI)

Marken nutzen immer mehr künstliche Intelligenz, die unser (Online-) Verhalten, unsere Eigenarten, Nöte und Bedürfnisse analysiert und dieses Wissen für Marketingzwecke brauchbar macht. New Balance hat das geschickt mit ihrer “Be The Exception” Kampagne eingesetzt, mit der sie in einer 360° Sicht die Straßen SoHos scannte und dort modisch auffällig gekleidete Passanten via künstlicher Intelligenz identifizierte (und mit neuen Schuhen belohnte). Solche Analyse-Tools können tatsächlich die Evolution in der Verbraucherforschung und Produktentwicklung sein, weil sie in einer hohen Geschwindigkeit Trends aufspüren. Auch hier ist es jedoch wichtig, transparent zu sein und zu zeigen, inwiefern der Verbraucher von dieser Analyse profitiert (und nicht wie die Marke daraus Nutzen zieht).

Neue Männlichkeit (New Masculinity)

Mit der #MeToo-Bewegung sind die sozialen Medien zum Schauplatz des Geschlechterkampfes geworden und Männlichkeit zu einem heiß diskutierten Thema. Studien haben gezeigt, wie sehr Stereotypen die Entwicklung beider Geschlechter beeinflusst. Es lohnt sich, das traditionelle Männerbild auch im Marketing aufzubrechen und mehr Diversität aufzuzeigen. Mercedes hat das mit der “Tough Conversations” Kampagne, die in Australien lief und über 100.000 Leads generierte, gezeigt. Passt daher auf, nicht selbst Schauplatz des Geschlechterkampfes zu werden. Ein modernes Männerbild spricht nicht nur mehr Menschen an, sondern ist auch zeitgemäßer.

Nischen-Memes (Memes Go Niche)

Memes sind das Kommunikationsmittel der Generation Z, um die neuesten Insider in ihrer Community zu teilen. Dieser Trend ist eng mit der Tendenz der heutigen Gesellschaft verwoben, sich immer mehr visuell auszudrücken. Als Brand birgt das gute Gelegenheiten, ein Nischen-Publikum zu erreichen und mehr Insights über die jeweilige Gruppe zu generieren. Aber Vorsicht: Der Look und Feel von Nischen- Memes lässt sich nicht mit jedem Branding vereinbaren.

Einfluss der Minderheiten (Minority Impact)

Es sind die vielen Online-Mikrokosmen, die Social Media Marketing interessant machen. Wer wiederum Minderheiten ignoriert, kann aus wichtigen Online-Debatten ausgeschlossen werden. Der große Erfolg von Black Panther in der Black Twitter Community zeigt, wie wirksam gruppenspezifisches Marketing sein kann: Mit 35 Millionen Mentions auf Twitter, war es der bis jetzt meist getwitterte Film. Es lohnt sich also, Minderheiten in den Fokus zu nehmen, dort Trends aufzuspüren und mit in die Konversationen einzusteigen. Aber auch hier gilt Vorsicht: Die firmeninternen Werte sollten nicht im Konflikt mit der jeweiligen Gruppe stehen.

Data Demokratisierung (Democratising Data)

Wir sind inmitten einer Data-Revolution – Individuen werden die Hüter ihrer eigenen Informationen, die online gespeichert und genutzt werden. Marken müssen wiederum aufpassen, dass sie den Zugriff darauf nur unter den richtigen Bedingungen bekommen, wie der jüngste Cambridge Skandal gezeigt hat. Das bedeutet für 2019: Werdet euch über die Werte der Daten bewusst – sie sind das „neue Öl“, wie der Economist schreibt. Definiert, welche Daten ihr tatsächlich von euren Verbrauchern benötigt und zeigt vor allen Dingen Transparenz in der Nutzung und Speicherung.

Jetzt-Crowd (Right Now Crowd)

2018 war das Jahr des Live-Videos. 20 % aller auf Facebook publizierten Videos waren Live-Aufnahmen und sie wurden 300 % mehr im Vergleich zu vorproduzierten Videos geschaut. Auf der Suche nach Authentizität gefällt den Nutzern die Spontaneität des Augenblicks. Wer auch 2019 Live-Content produzieren will, sollte sich auf Momente und Blickpunkte konzentrieren, die Konversationen generieren könnten. Auch kann man sich Events als Sponsor oder Botschafter anschließen, die die eigenen Werte vertreten und live übertragen werden. Und nicht zuletzt lohnt es sich auch hier, ein Nischen-Publikum anzusprechen und darauf zugeschnittenen Content zu produzieren.

Mehr zum Report gibt es hier.

Wir sehen uns in der Zukunft!