Dark Social verstehen und nutzen
Vor kurzem veröffentlichte Contagious diesen Artikel von unserem Research & Insight Director André van Loon aus unserem Londoner Büro. In dem Artikel beleuchtet André die verblüffende Welt von Dark Social und teilt mit uns sein Wissen darüber, wie Marken in diesem Zusammenhang das Beste aus Messaging Apps machen können. Contagious war so freundlich, uns zu erlauben, den Artikel hier wiederzugeben.
Bevor man versucht Dark Social richtig zu verstehen, sollte man bedenken, wie leicht es ist, dieses Phänomen falsch zu verstehen. Der Begriff “Dark Social” existiert spätestens seitdem Alexis Madrigal ihn in der amerikanischen Zeitschrift “The Atlantic” in 2012 prägte. Zur Genauigkeit der digitalen Zuweisung von Traffic schreibt Madrigal: “Ein fortbestehendes Geheimnis von Web-Analytics ist, dass die Informationen, die wir erhalten, beschränkt sind. Es gibt Momente, in denen du vor unserer Haustür stehst und wir haben absolut keine Ahnung, wie du dahin gekommen bist.”
Wenn jemand die URL einer Webseite in eine E-Mail oder Messaging App kopiert, oder von einer sicheren Seite (https) auf eine unsichere (http) wechselt, wird der Zugang in den meisten Analytics-Programmen als ein “Direct” – ein direkter Zugriff – angezeigt. Das ist es, was Madrigal unter Dark Social versteht.
Dark Social ist also weder Dark Posting (eine Paid-Media-Strategie) noch sollte es eine allgemeine Phrase für Messaging-Aktivitäten sein – zwei weit verbreitete Irrtümer.
Was ist Dark Social dann? Ein rein technisches Problem? Nein, sagt André, denn Dark Social ist eine Riesensache! Laut einer Studie entsteht bereits heute 84% des globalen Traffics durch Dark Social. Zum Vergleich: Über Facebook sind es lediglich 9% und 7% für alle verbleibenden sozialen Netzwerke. Dark Social ist eindeutig kein Nischenphänomen, sondern eine etablierte Verhaltensweise der User, die man verstehen sollte. Und besonders sollte man verstehen, wie es die eigene Marke betrifft.
Die folgende Sharing-Typologie soll helfen, Dark Social richtig einzuordnen.
Aus einer Vermarkter-Perspektive ist es sinnvoll, sich für Open Social Sharing zu öffnen. Denn User verlassen sich auf die Social Share Button einer Webseite. Das Ergebnis ist messbar: Wir können die spezifische Quelle des Traffics einsehen, festlegen was User in einem öffentlich sichtbaren Kommentar sagen und die entsprechende Stimmung (Sentiment) in den Reaktionen quantifizieren.
Im kontrollierten Social Sharing nutzen User die Share Button für private Textnachrichten – was nicht weniger schlecht ist. Die Quelle ist nachverfolgbar und wir können das Teilen als ein Maß für Erwägung interpretieren (z.B. Shares von einer Online-Produktseite als Indikator für gesteigertes Interesse). Das anschließende Gespräch jedoch ist nicht mehr für jeden einsehbar, abgesehen von seinen Teilnehmern. Nicht schlecht, aber es ist eine zum Teil verschleierte, nicht einsehbare Kommunikation (und, um klar zu sein, das gute Recht der User).
Und zu guter letzt Dark Social, am problematischen Ende der Skala. Wir kennen weder die Quelle der Shares, den Grund, was über den Inhalt gesagt wird noch die Stimmung. Kurz: Dark Social ist ein wirkliches Marktforschungsproblem.
Das Dark-Social-Rätsel
Um das Problem Dark Social anzupacken, sollten wir es als mehr als ein simples Tracking-Problem ansehen. Ja, es ist ein Problem, aber kein isoliertes. Es wird immer schwerer, digitale Zielgruppen genau zu kennen. Ich zum Beispiel nutze mehr als ein soziales Netzwerk, wie die meisten Menschen; laut GlobalWebIndex nutzen User weltweit im Durchschnitt acht soziale Netzwerke. Aber “Ich” bin nicht meine Witze auf Facebook, Bücher und politische Tweets, oder Bilder von alten Gebäuden und Flüssen auf Instagram, oder irgendwelche LinkedIn-Posts. An anderen Orten bin “Ich” anders.
Verbinden wir dieses Multi Networking mit einem globalen Anstieg an privaten Textnachrichten/Chat-Apps und VOIP (Voice Over Internet Protokoll) und wir haben eine Zielgruppe, die sich verschieden und oftmals auf unvorhersehbare Weise verhält.
Selbst die erste Auffassung darüber, wer am aktivsten in Dark Social ist, kann eine Falschinformation sein. RadiumOne hat gezeigt, dass 46% der Konsumenten, die lediglich über Dark Social teilen, 55 Jahre oder älter sind: Eine überraschende Zahl, wenn man Millennials und Gen Z priorisiert. Als eine Gruppe betrachtet, tendieren “ältere” Verbraucher dazu, größer verfügbare Einkommen zu haben. Kombiniert man das mit der Erkenntnis, dass geteilte Inhalte über Dark Social oftmals hochgradig emotional sind (Wörter wie “Love” oder “God” werden hier öfter genutzt), ist das Ergebnis eine potenziell ältere, aktivere und profitablere Zielgruppe als man anfänglich zu denken meint. Für Marken mit einer kaufkräftigen Zielgruppe sind das gute Neuigkeiten!
Dark Social richtig verstehen
Es gibt zwei Dinge, die man tun kann, um Dark Social erfolgreich zu verstehen. Das erste ist eine grundlegende Korrelationsanalyse. Wann erhält man den meisten digitalen Internetverkehr? Wie viel davon kommt aus Dark Social und wie korreliert dieser mit einer bestimmten digitalen Marketing-Aktivität? Eine besondere Social-Kampagne kann beispielsweise durch eine simple Ableitung als Quelle für Dark-Social-Traffic identifiziert werden. Einmal erkannt, können bestimmte digitale Aktivitäten optimiert werden, um mehr Dark-Social-Sharing zu erreichen? Und gehen diese Shares in Richtung des profitabelsten Content?
In einem weiteren Schritt, wenn es darum geht, Einblicke in die Zielgruppen zu bekommen, können Marken Menschen mittels Umfragen, Fokusgruppen oder in Interviews fragen, was sie denken, fühlen und sagen. Die Verwendung verschiedener Techniken, und die sich daraus ergebenden Informationen, führen potenziell zu einem ganzheitlicheren Bild als bei dem Gebrauch von nur einer Informationsquelle allein.
Unsere Erfahrung mit Adidas Tango Squads und anderen Dark-Social-Kampagnen hat uns ein breites Verständnis davon vermittelt, welche Marktmodelle funktionieren können. Für Adidas Tango Squads aktivierten wir Dark Social durch den Einsatz von Influencern. Wir erschlossen einen geeigneten Kanal (Facebook Messenger), streuten dort exklusive Inhalte, wendeten uns ab von aggressiven Verkaufstechniken und ließen der Konversation innerhalb der Community freien Lauf.
Wir lernten, auf Dark Social angepasst zu veröffentlichen: Wir gaben Influencern einen Grund Inhalte zu teilen. Nicht etwa den Content an die große Glocke zu hängen und zu verbreiten, sondern Konversationen nicht zu beeinflussen. Und schnell kamen wir darauf, der Dark-Social-Zielgruppe die besten Inhalte exklusiv vorab zukommen zu lassen.
Allgemein, im richtigen Licht gesehen, ist Dark Social eine großartige Möglichkeit für Marketer. Wir reden nicht über ein unlösbares Mysterium, nein, wir reden über einen faszinierenden Bereich von Recherche und Entdeckung. Es ist eine aufregende Herausforderung.
Der Originalartikel erschien auf wearesocial.uk und ist hier abrufbar.